Onlineshops des Grauens

Bereits 2013 googelte mein Kollege spaßeshalber „Online-Shop“. Um zu sehen, wer da ganz oben steht. Dabei stieß er auf die Seite mit dem vielversprechenden Namen „www.online-shop.com„. Nach dem ersten Schock und einem 200-Prozent-Zoom offenbarte sich das Konzept der Seite: Sie sammelt diverse Onlineshops, sortiert und verlinkt diese! Soweit so praktisch. Aber, sie ist unglaublich hässlich. 2020 frische ich seine Erfahrungen auf und begebe mich erneut auf die Suche nach miesen Onlineshops. Überbordendes Design, fehlende Usability oder Produkttexte, die den potentiellen Käufer eher fraglos zurücklassen: Ein schlechter Ersteindruck trifft leider auf erschreckend viele mehr oder weniger professionell betriebene Onlineshops zu. Meine Hitliste der Onlineshops des Grauens habe ich hier mal zusammengetragen – natürlich als konstruktive Kritik gemeint!

Kategorie Design

In die Kategorie Design fallen mit Abstand die meisten Fehltritte in Sachen E-Commerce. Denn das Onlineshop-Design stellt auf unterschiedlichste Art und Weise eine Herausforderung dar. Punktet der Anbieter beim Kunden hauptsächlich durch niedrige Preise, ist es nur konsequent, wenn auch der Onlineauftritt kein Hochglanzprodukt ist. Mit ein bisschen Mühe wendet man jedoch schnell den 1&1-Do-It-Yourself-Look ab.

Gewinnerbeispiel „Onlineshops des Grauens“ Kategorie Design

Wer ein „Fear and Loathing in Las Vegas“-mäßiges Erlebnis sucht, dem könnte lingscars.com gefallen. Der Autohändlerin mangelt es nicht an Ideen und Kombinationsmöglichkeiten. Alles dreht sich, blinkt und schreit den Betrachter förmlich an. Begeben Sie sich auf eine abenteuerliche Entdeckungsreise, denn hier gibt es viel zu sehen: Lings Mantra und ihren Nucleat Missile Truck, einen Live-Chat, Youtube-Videos, Office-TV, ein Autorennen sowie einen Karaoke-Wettbewerb, ein Auto-Quiz und und und. Auch schön ist das orientalisch anmutende Hintergrundmuster. Die vielen Farben und Formen fügen sich jedoch gut in den Shop ein.

Auch wenn bildlich eine Krabbeltisch-Stimmung beim User aufkommt, senkt der unkomplizierte Look die Hemmschwelle, mal unverbindlichen Kontakt aufzunehmen. Bunter Hintergrund An sich ist der Rest der beiden Shops jeweils ganz gut an den Hintergrund angepasst. 

Kategorie Seitenstruktur & Usability

In einem Onlineshop sollte der Kunde vor allem eins können: Seinen Wunschartikel problemlos finden, hilfreiche Informationen zum Produkt erhalten und diesen einfach in den Warenkorb ablegen. Denn das Ziel des Anbieters ist ja schlicht der Verkauf! Wenn sich der Kunde im Onlineshop nicht zurecht findet, ist alles verloren. Erleichtern Sie daher die Kaufentscheidung des Kunden. Hierzu dienen: funktionierende Suchfunktion, logische Kategorien, eine übersichtliche Seitenführung und verständliche Produkttexte. Offensichtlich fällt es vielen Anbietern schwer, diese Voraussetzungen zu erfüllen.

Gewinnerbeispiel „Onlineshops des Grauens“ Kategorie Seitenstruktur

Beim Onlineshop arngren.net kann ich mich gar nicht entscheiden, für welche Kategorie ich ihn nominieren soll. Denn hier steckt entweder zu viel oder zu wenig Herzblut drin. Neben einer bizarren Produktpalette (vom California-Ferrari fürs Kleinkind über die digitale Kuckucksuhr bis zum Star-Wars-Schachbrett) bietet der Shop eine beispiellos verwirrende Seitenstruktur kombiniert mit einer Designvielfalt. Sämtliche Artikel streuen sich quer über die gesamte Seite. Auf eine klare Ausrichtung der Angebote wurde zugunsten einer bestmöglichen Platzausnutzung verzichtet. Um alle Artikel zu erfassen, muss der Nutzer sogar horizontal und vertikal scrollen. s

Beim Klick auf ein Produktbild gelangt man keineswegs zur Produktunterseite. Vielmehr öffnet sich eine chaotische Folgeseite, die verschiedene Produkte vereint. Während sich hinter den einzelnen Artikeln also Kategorieseiten verstecken, gelangt man hingegen über die nach Kategorien anmutende linke Sidebar auf Produkteinzelseiten. Soweit so verwirrend. Auch das Design ist wohlwollend als ein Potpourrie vorhandener visueller Möglichkeiten zu beschreiben. Das altbackene Layout lässt mich über Anzeigenblätter aus kostenlosen Fernsehzeitschriften sinnieren. Hier ergänzen sich blinkende, animierte GIFs mit einer Vielzahl von Schriftarten, -farben und -größen.

Das Hauptproblem ist das Bestellen. Denn es gibt weder einen Warenkorb noch Bestellnummern. Falls man tatsächlich einen Wunschartikel findet, muss  man diesen per Telefon, Fax oder E-Mail bestellen. Falls man zufällig auf die entsprechenden Daten stößt.

Gewinnerbeispiel „Onlineshops des Grauens“ Kategorie Usability

nva.4mg.com verzichtet komplett auf eine Kategorisierung der Produktpalette – und die ist beachtlich. Der Käufer scrollt sich ewig durch die alphabetisch aufgelisteten Artikel. Hat man nun ein interessantes Objekt gefunden und ausgewählt, gelangt man zu einer Unterseite, die jeglicher erlernten Linkführung trotzt: Was hier unterstrichen ist, kann nicht angeklickt werden. Zusatzinformationen im Sinne einer Produktbeschreibung sucht man ebenfalls vergebens. Auch kann man den gewünschten Artikel nicht einfach anklicken und dann in den Warenkorb legen. Vielmehr muss der gewillte Käufer auf dem Weg zu seinem Wunschobjekt dem Muster eines nostalgischen Bestellscheins folgen. Allerdings ist diese Vorgehensweise schon wieder konsequent – angesichts der Produktpalette an antiquarischen und militärischen Sammlerstücke.

Das Bestellmuster gibt es jedoch nicht. Habe ich mir also ein original NVA-Strahlenmessgerät ausgesucht und das im Ampelsystem animierte Gif zeigt mir grün einen vollen Lagerbestand an, muss ich mir schnell die Bestellnummer sowie alle Informationen merken. Denn diese muss der Käufer nach dem Vorbild des Bestellmusters per Mail oder Fax absenden.

Ein weiterer Leckerbissen in Sachen Usability ist der Online-Auftritt des Brillenherstellers OWL. Ich gehe davon aus, dass die meisten Unternehmen außerhalb Hipster-Berlins nicht auf die Idee kommen, einen Onlineshop nach dem Vorbild von „OWL Optics“ zu entwerfen. Für die Zielgruppe okay, massentauglich… weniger. Einfach mal durchscrollen (!).

Übrigens: Die Seite www.online-shop.com ist noch immer online – gewohnt funktional und im bekannten Design.

Wenn Sie also demnächst einen Online-Shop erstellen oder Ihren aktuellen überarbeiten wollen: Schauen Sie sich diese Beispiele genau an… und machen es dann besser.

 

Foto von Mike van Schoonderwalt von Pexels

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