Social Media Kommunikation – zwischen Regeln und gesundem Menschenverstand

Man sollte meinen, dass die Kommunikationsregeln in sozialen Medien klar sind. Es gab schon dutzende Beiträge zu Social Media Guidelines, Facebook Kommunikationsregeln und Netiquetten. Dazu kommt, dass in besseren Artikeln zur Krisenkommunikation in sozialen Netzwerken ebenfalls Kommunikationsregeln zur Vermeidung von Krisen enthalten sind. Auch bei uns hat sich René schon ausführlich mit der letzteren Thematik beschäftigt.

Trotz all dieser Vorgaben schaffen es viele Unternehmen, entweder gänzlich an den Social Media Kommunikationsregeln vorbei zu handeln oder zu verkrampft daran festzuhalten. Manchmal ist es sinnvoll, die vielen Guidelines als, nun ja, Richtlinien zu verstehen und mit Hilfe des gesunden Menschenverstand zu hinterfragen. Deshalb ist das Ziel dieses Beitrags zu zeigen, wie die Social Media Kommunikationsregeln passend interpretiert werden können und wann man vielleicht doch lieber auf den gesunden Menschenverstand zurückgreifen sollte.

Kommunikationsregeln – unverstandene Helfer

Konzentrieren werde ich mich auf einige der bekanntesten und leider auch am häufigsten falsch interpretierten Social Media Kommunikationsregeln:

  1. Menschlich bleiben
  2. Mehrwert bieten
  3. Bescheidenheit wahren
  4. Fehler eingestehen

Diese Regeln hat jeder Social Media Manager (hoffentlich) schon einmal gehört und viele fragen sich jetzt sicherlich, wo mein Problem liegt. Dann fange ich einfach mal mit dem ersten Punkt an:

1. Kommunikationsregel: Menschlich bleiben

Unter der Überschrift „Menschlich bleiben“ ist von Social Media Kommunikationsexperten eigentlich gemeint, dass man das Social Media Team des Unternehmens nicht auf einem Podest präsentieren sollte. Am besten funktioniert das, indem man seine Umgangsformen an die entsprechende Zielgruppe anpasst. Dazu müsste das Unternehmen natürlich seine Social Media Zielgruppe kennen.

Lockere Kommunikation vs. PR-Texte

In der Praxis sieht es oft so aus, dass Social Media Manager, aus Angst, abgehoben zu wirken, in einen vollkommen unangemessenen Ton abfallen. Dann fühlt sich der Kunde erst recht nicht ernst genommen. Nehmen wir als Beispiel Eve von Yello Strom. Ein Fanpage, deren Sinn mir, wie vermutlich allen Social Media Nutzern, vollkommen unklar ist.

Facebook Yello Strom

Hier brabbelt eine Sims-Gestalt in Yello Strom Optik über ihre selbstgebackenen Kekse und das ungeborene Kind der britischen Thronfolger. Vom Umgangston (O-Ton: „Hallo Raouuuuul! :)“) mal ganz abgesehen. Hier wurde die Regel „Menschlichkeit“ so extrem ausgelegt, dass am Ende gar keine sinnvolle Kommunikation über Yello Strom zustande kommen kann.

Im Gegenstück dazu, ist es natürlich auch nicht sinnvoll, einfach PR-Texte zu posten und nicht auf die Bedürfnisse der Zielgruppe einzugehen – in der Mitte liegt die Lösung.

2. Kommunikationsregel: Mehrwert bieten

Ohne Mehrwert, die eierlegende Wollmilchsau der Kommunikation, geht nichts mehr im Social Web. Irgendetwas muss man dem Nutzer bieten, damit er Fan, Kunde oder Partner wird. Das ist leicht gesagt, aber schwer getan – denn was im individuellen Fall Sinn macht, das hängt vom Unternehmen und seiner Zielgruppe hab. Gewinnspiele und Rabatte bieten schnellen, aber kurzfristigen Mehrwert. Anregende, kreative Inhalte sind leider wesentlich schwieriger zu gestalten, wie immer wieder deutlich wird.

Mehrwert erwächst vor allem aus Inhalten, die für die Zielgruppe interessant sind und trotzdem das Unternehmen in den Mittelpunkt stellen, im besten Fall noch zu einer Diskussion anregen. Dabei muss Mehrwert nicht immer fachlicher Inhalt sein oder völlig neu sein. Es ist keine neue Idee, ein bekanntes virales Video oder Lied mit dem Unternehmen nachzumachen – wenn es jedoch gut umgesetzt ist und vor allem auch zum eigentlichen Unternehmen-Image passt (!), dann kann es trotzdem begeistern und damit Mehrwert bieten. Als Beispiel sei hier die „Call me maybe“-Variante von Juvalia & YOU genannt. Das Unternehmen präsentiert sich auch sonst „jung, trendy und mit Spaß bei der Sache“ und genau das kommt in dem qualitativ hochwertigen Video durch. Ganz davon abgesehen, dass einige Produkte geschickt platziert sind. Ein Kommunikationsanlass ist geboten.

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Ein Negativbeispiel darf hier natürlich nicht fehlen. Mit blinder Hand greife ich in die Kiste der Social Media Fails… Aha, das Praktikum bei Edeka-Video. Lyrisch und musikalisch fragwürdige Qualität, Home-Video Optik und leichter Fremdschäm-Faktor. Ok, es ist ein Azubi-Projekt, aber trotzdem gibt es bei Edeka eine Marketing-Abteilung, die dieses Video durchgewunken hat. Hier will sich ein Unternehmen jugendfreundlich darstellen und wirkt dabei eher verkrampft. Kommunikation zum Unternehmen wird nicht gefördert, höchstens Kritik am Video herausgefordert.

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Edeka ist übrigens nur eines der Unternehmen, die eher peinliche als sympathische „Azubis-singen“-Videos veröffentlicht haben, und kommt im Vergleich sogar verhältnismäßig gut weg.

3. Kommunikationsregel: Bescheidenheit wahren

Bescheidenheit wahren bedeutet – zumindest, wenn es um Social Media Kommunikation geht – übermäßiges Eigenlob zu vermeiden. Für Kunden interessante Meldungen können natürlich trotzdem gepostet werden. (Übrigens hat das Edeka-Video auch in diesem Punkt versagt.)

Am besten lässt sich Bescheidenheit über das Verlinken fremde Inhalte kommunizieren. Fremde Leistungen werden anerkannt und sofort wirkt der auch Unternehmenscontent viel sympathischer. Diese Praxis ist bis jetzt jedoch kaum vertreten. Wenn tatsächlich einmal fremde Inhalte geteilt werden, hängt das mit einer unmittelbaren Partnerschaft zusammen. Sehr schade.

4. Kommunikationsregel: Fehler eingestehen

Unsere vierte und letzte missverstandene Regel zur gelungenen Social Media Kommunikation wird oft „ganz oder gar nicht“ befolgt. Entweder das Unternehmen ignoriert kritische Stimmen völlig oder aber entschuldigt sich ständig. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Eine Entschuldigung ist dann nötig, wenn man etwas falsch gemacht hat. Alles andere ist Ignoranz oder Trollfutter. Umstrittenes – aber für mich eindeutig Best-Practice – Beispiel ist die Reaktion der Ing-DiBa auf den Vegetarier-Shitstorm im letzten Jahr.

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Während sich Veganer, Vegetarier und Fleischliebhaber auf ihrer Fanpage bekriegten, ermahnte die ing DiBa zu angemessenen Umgangsformen und hielt sich dezent zurück. Was zuerst von Social Media Managern kritisiert wurde, stellt sich bald als richtig heraus – die Diskussion verebbte, das Video ist weiterhin online, die meisten Kommentare sind positiv. Warum hätte das Unternehmen sich auch entschuldigen oder rechtfertigen sollen? Sie haben ein Video gemacht, in dem eine Wurstscheibe gegessen wird… und?

Fazit: Regeln – gut, Denken – gut, Ignoranz – schlecht

Aus all diesen Beispielen wird deutlich, dass es nicht DIE richtige Vorgehensweise zur gelungenen Social Media Kommunikation gibt. Abhängig ist alles vom individuellen Unternehmen, der Situation und natürlich – der Zielgruppe. Wenn man aber seine Zielgruppe nicht kennt, seine Social Media Manager nicht zum Mitdenken anhält oder grundsätzlich nicht weiß, wie man sein Unternehmen in sozialen Medien präsentieren will, dann wird man es beim Aufbau eines Social Media Dialogs schwer haben.

Foto von Joshua Miranda von Pexels

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